Fall Greensill: Finma ist nicht der Babysitter der Credit Suisse (2024)

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Die scharfe Kritik der Aufsichtsbehörde an der CS ist nötig und willkommen. Die Finma darf sich aber nicht in Details verzetteln. Retten kann sich die Grossbank am Ende nur selber.

André Müller

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Fall Greensill: Finma ist nicht der Babysitter der Credit Suisse (1)

Die Kritik ist scharf und schonungslos: Zum Abschluss ihres Verfahrens zum Fall Greensill wirft die Finanzmarktaufsicht (Finma) der Credit Suisse vor, ihre Risiken nicht im Griff gehabt, Warnungen ignoriert und auf oberster Stufe generell planlos agiert zu haben. Der Befund der Finma ist nicht überraschend, die zentralen Verfehlungen der CS im Umgang mit dem undurchsichtigen Financier Lex Greensill waren längst bekannt.

Die Einzelheiten, die man noch nicht kannte, sind aber skandalös: Offenbar hat die Finma der CS schon Jahre vor dem Kollaps von Greensill kritische Fragen gestellt. Die Bank liess diese aber mitunter durch Lex Greensill selbst beantworten. Kein Wunder, kamen dabei gemäss Finma «teilweise falsche und zu positive Angaben» zurück. Es ist, als hätte man einfach den Sturzbetrunkenen selbst gefragt, ob er denn noch nach Hause fahren könne.

Fragen werfen die Massnahmen auf, welche die Finma verfügt: Die Mitglieder der Geschäftsleitung müssen künftig die 500 wichtigsten Geschäftsbeziehungen auf das Gegenparteirisiko überprüfen. Darauf also, ob sich darunter weitere Blender oder Scharlatane befinden. Zudem muss die Bank die Verantwortungsbereiche ihrer 600 höchsten Manager in einem Dokument festhalten. Ein Finma-Beauftragter wird das überprüfen.

Dass die Aufsichtsbehörde ein derartiges Mikromanagement betreibt, ist eine Blamage für die Credit Suisse. Offenbar ist das Vertrauen in die Bank so gering, dass die Finma glaubt, ihr jedes einzelne Schrittchen auf dem Weg zur Besserung diktieren zu müssen. Ähnlich detailliert waren bereits die Vorgaben, welche sie der CS Ende 2021 in ihrem Enforcement-Verfahren zu betrügerischen Krediten an Moçambique machte. Damals hatte die Bank unter anderem schwer gegen ihre Pflichten zur Verhinderung von Geldwäscherei verstossen. Damals fokussierte die Finma ihre Auflagen aber eng auf das ursprüngliche Problem, nämlich das Kreditneugeschäft mit armen Ländern. Ihre jetzigen Massnahmen zielen breiter auf die Governance der ganzen Bank.

Mit dem Klein-Klein macht aber auch die Finma selbst einen hilflosen Eindruck. Überspitzt gesagt: Eine Excel-Liste mit 600 Top-Managern und deren Verantwortungsbereichen wird die Credit Suisse auch nicht zu einer besseren Risikokultur zwingen. Aber was tun, wenn die bisherigen Ermahnungen nichts nützten?

Der Auftrag der Finma lautet, Bankkunden, Anleger und die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu schützen. «Sie trägt damit zur Stärkung des Ansehens, der Wettbewerbsfähigkeit und der Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz bei», heisst es in Artikel 4 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes. Ganz offensichtlich ist ihr Letzteres mit Blick auf die Credit Suisse während Jahren nicht gelungen, allen Bemühungen zum Trotz: Vom gesetzlich erwünschten «ordnungsgemässen Zustand» war die Bank, wie nun der Bericht zum Greensill-Verfahren wieder zeigt, 2021 noch meilenweit entfernt.

Doch die Finma kann die 280 Banken und Wertpapierhäuser, die sie beaufsichtigt, nicht selber führen. Sie ist, und darauf muss sie sich konzentrieren, für wichtige Leitplanken zuständig: Sie kann Bankchefs, die für ihre Aufgabe charakterlich oder fachlich nicht geeignet sind, vom Schweizer Finanzplatz verbannen. Sie kann den Banken Standards vorgeben, wie deren Risiko-Management-System auszusehen hat. Das hilft.

Aber die Finma kann Verantwortung an der Spitze der Credit Suisse nur einfordern. Verbessern muss die Bank ihre morsche Risikokultur selbst. Zum Teil geschah das im Fall Greensill schon, mit dem Austausch praktisch des gesamten involvierten Führungspersonals, bis hin zum damaligen CEO Thomas Gottstein. Aber Risikomanagement ist nicht nur eine Personal-, sondern auch eine Systemfrage. Die jetzige Führung scheint das ernster zu nehmen; zumindest sagt sie das regelmässig. Ob sie es im Alltag tut, wird man im Lauf der nächsten Jahre sehen.

12 Kommentare

M. B.

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"Ihre morsche Risikokultur muss die Bank selbst verbessern." Und genau hier liegt der Hund begraben: Es ist ein offenes Geheimnis, dass im Topmanagement gerade bei den Banken überproportional viele Menschen (vor allem Männer) mit signifikanten Persönlichkeitsstörungen sitzen, vor allem im Bereich des Narzissmus. Und maligne Narzissten lassen sich nicht gerne dreinreden. Gerade Bankchefs, "die für ihre Aufgabe charakterlich oder fachlich nicht geeignet sind, vom Schweizer Finanzplatz" zu verbannen, ist eine schier unmögliche Aufgabe, gerade für eine Institution wie für die Finma. Es muss noch sehr viel passieren, bis dass im Bankenumfeld ein Umdenken stattfindet, und dass vielleicht der langweiligere aber gewissenhaftere Mitarbeiter dem selbstbewussteren, eloquenteren aber potentiell skrupelloseren Kollegen für die Stelle im Management vorzuziehen ist.

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Beat Leutwyler

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Es ist ein Erfindung von Journalisten, Ökonomen und Juristen, allesamt aus monetären Gründen, immer nur von juristischen Personen, wie hier von der Credit Suisse zu schreiben.Eine juristische Person ist nicht entscheidungsfähig. Sie ist per se immer unschuldig. So sieht es auch unser Strafgesetzbuch - mit Ausnahme des Art. 152 StGB. Nach einem Jahr ist der aber sowieso obsolet.Man merke sich: Es sind die Entscheidungsträger, um die es hier geht - das sind Menschen die einen Namen und Vornamen tragen. Bei der Credit Suisse genauso wie bei der Finma.Ich fordere die NZZ auf, konkret André Müller, objektiv und nicht übersetzt zu berichten.

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